SRF 2 Kultur
Geld allein macht nicht glücklich, meinen wir zu wissen. Sehen wir aber neidvoll den neuen Jaguar oder das Segelboot des Nachbarn, dann behauptet unser Bauch doch glatt das Gegenteil. Wie glücklich muss dieser Mensch sein, der so etwas besitzt! Dieses Gefühl aber ist, sagen Wissenschaftler, nichts als eine Illusion, die sogenannte focussing illusion, die Fokussierungsillusion. Dazu 100 Sekunden wissen von Thomas Waibel:
Sind Menschen, die im sonnigen Kalifornien leben, glücklicher? Diese Frage stellten 1998 zwei amerikanische Forscher 2000 amerikanischen Studentinnen und Studenten an Universitäten in Michigan und Ohio und in Kalifornien. Die Antwort lautete: ja, die Menschen in Kalifornien sind glücklicher wegen der atemberaubenden Natur, dem Kulturangebot und dem milden Klima. Der Haken aber war der: fragte man nach der eigenen aktuellen Lebenszufriedenheit, ergaben sich keine Unterschiede mehr. Die Studierenden in Kalifornien bezeichneten sich im Vergleich zu ihren Kommilitonen im Mittelwesten als kein bisschen glücklicher. Das große Glück an der sonnigen Westküste ist ein Ergebnis der sogenannten Fokussierungsillusion. Die Fokussierungsillusion ist sozusagen die wissenschaftlich fundierte Version des Märchens vom Hans im Glück. Als Lohn für sieben lange Jahre Arbeit erhält Hans einen großen Klumpen Gold. Den zu tragen ist beschwerlich, weshalb sich Hans im Tausch dafür erst ein Pferd aufschwatzen lässt, dafür dann eine Kuh, ein Schwein, eine Gans, am Ende einen Schleifstein. Jedes Mal erliegt Hans der Fokussierungsillusion und begehrt das, was er gerade nicht hat. Wenn wir uns auf deutlich erkennbare Unterschiede konzentrieren, auf Geld oder Luxusgüter, dann werden wir leicht Opfer einer kognitiven Verzerrung. Was wir nicht besitzen, erscheint uns begehrenswerter, weil wir damit eine gesteigerte Lebenszufriedenheit verbinden. Zögen wir tatsächlich nach Kalifornien, würden wir das milde Wetter genießen, kein Zweifel. Doch schon ein Jahr später wäre unser gesamtes Lebensglück um kein Quäntchen größer geworden.
100 Sekunden Wissen
Erfahren Sie mehr über unsere Sendungen auf unserer Homepage srf.ch/kultur