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navaburo
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Note to recorder:

Bitte die Zeichen im Brakete [] ignorieren; sie sind nur Szeitenummern.

Auch wissenschaftliche unternehmungen, denen es noth thut tiefe wurzel zu schlagen und weit zu greifen, hängen von äuszeren anlässen ab. allgemein bekannt ist, dasz im jahr 1837 könig Ernst August von Hannover die durch seinen vorgänger gegebne, im lande zu recht beständige und beschworne verfassung eigenmächtig umstürzte, und dasz mit wenigen andern, die ihren eid nicht wollten fahren lassen (denn wozu sind eide, wenn sie unwahr sein und nicht gehalten werden sollen?), ich und mein bruder unserer ämter entsetzt wurden. in dieser zugleich drückenden und erhebenden lage, da den geächteten die öffentliche meinung schützend zur seite trat, geschah uns von der weidmannschen buchhandlung der antrag, unsere unfreiwillige musze auszufüllen und ein neues, groszes wörterbuch der deutschen sprache abzufassen. unmusze, und die freiwilligste war genug da, sie wäre nimmer ausgegangen, was frommte ihrer mehr und im überschwank zu bereiten? beinahe hiesz es alte warm gepflegte arbeiten aus dem nest stoszen, eine neue ungewohnte und mit jenen, aller nahen verwandtschaft zum trotz unverträgliche, ihren fittich heftiger schlagende darin aufnehmen. auf deutsche sprache von jeher standen alle unsere bestrebungen, den gedanken ihren unermessenen wortvorrat selbst einzutragen hatten wir doch nie gehegt, und schon der mühsamen zurüstungen sich zu unterfangen konnte den für die ausdauer unentbehrlichen mut auf die probe stellen. aber im vorschlag lag auch etwas unwiderstehliches, das sich gleich geltend machte und zum voraus allen schwierigkeiten, den vor augen schwebenden, wie solchen, die sich erst, wenn hand angelegt werden sollte, erzeigen würden und die es vorauszuschauen unmöglich ist, die spitze bot. wir erwogen und erwogen, ein unabsehbares, von keinem noch angelegtes, geschweige vollbrachtes werk öfnete allenthalben die fernsten aussichten. es gab weder ein deutsches wörterbuch, noch einer andern neueren sprache in dem umfassenden, ausgedehnten sinn, den wir ahnten, welchem gerade jetzt mehr als irgend wann mit treu aufgewandten kräften folge geleistet, mit reger theilnahme entgegen gekommen werden könnte. seine ungeheure wucht sollte nun auf vier schultern fallen: das schien sie zwar zu
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erleichtern und vertheilen, indem ihm aber auch zwei häupter erwuchsen, die nothwendige einheit wo nicht des entwurfs, doch der ausführung zu gefährden. dies bedenken dennoch hielt keinen stich gegen die stete gemeinschaft, in der wir von kindesbeinen an gelebt hatten, die wie bisher auch für die zukunft unsere geschicke zu bestimmen und zu sichern befugt war. eingedenk des uralten spruchs, dasz ein bruder dem andern wie die hand der hand helfe, übernahmen wir williges und beherztes entschlusses, ohne langes fackeln, das dargereichte geschäft, zu dessen gunsten auch alle übrigen gründe den ausschlag gegeben hatten. auf welche weise wir uns beide in es finden und einrichten, soll hernach unverhalten bleiben.
Jahre sind, nachdem durch die gnade des königs von Preuszen wir hier in Berlin schirm und freiheit für unsere forschungen erlangt haben, verflossen, bevor angehoben werden konnte, und schon ist jenes öffentliche ereignis vor andern noch viel stärker erschütternden, deren vorspiel es gleichsam abgab, in den hintergrund gewichen. mag das werk, dessen beginn auf des geliebten vaterlandes altar wir nun darbringen, einst vollführt gegründetere zuversicht erwecken, dasz es im andenken der nachwelt haften und nicht schwinden werde, so ist uns damit alles leid vergolten.
Längst entbehrt unsere sprache ihren dualis, dessen ich mich hier immer bedienen müste, und den pluralis fortzuführen fällt mir zu lästig. ich will das viele, was ich alles zu sagen habe, und von dem auch meine eigensten, innersten empfindungen beschwichtigt oder angefochten werden, frischweg in meinem namen aussprechen; leicht wird, sobald er künftig das wort ergreift und seine weichere feder ansetzt, Wilhelm meinen ersten bericht bestätigen und ergänzen. Hingegeben einer unablässigen arbeit, die mich je genauer ich sie kennen lerne, mit stärkerem behagen erfüllt, warum sollte ich bergen, dasz ich meinestheils entschieden sie von mir gewiesen hätte, wenn unangetastet ich an der Göttinger stelle geblieben wäre? im vorgerückten alter fühle ich, dasz die faden meiner übrigen angefangnen oder mit mir umgetragnen bücher, die ich jetzt noch in der hand halte, darüber abbrechen. wie wenn tagelang feine, dichte flocken vom himmel nieder fallen,
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bald die ganze gegend in unermeszlichem schnee zugedeckt liegt, werde ich von der masse aus allen ecken und ritzen auf mich andringender wörter gleichsam eingeschneit. zuweilen möchte ich mich erheben und alles wieder abschütteln, aber die rechte besinnung bleibt dann nicht aus. es gälte doch für thorheit, geringeren preisen obschon sehnsüchtig nachzuhängen und den groszen ertrag auszer acht zu lassen.
Und was, wenn dieser weit mehr in der ergriffenen sache selbst als in meiner befähigung geborgene gewinn erfolgen kann, verschlägt es, dasz heimliche pfade, die ich steigen wollte, nun unberührt bleiben, andere beweise, die zu demselben ziel führen sollten, fehlen? sie durften, aber sie müssen nicht hinzutreten. ich hatte eingesehen, dasz die grundlage der menschlichen sprachwerkzeuge, die uns anerschaffenen bedingungen der sprache unter den geheimnisvollen gesetzen stehen, die uns die naturwissenschaft überall unwandelbar zeigt. zugleich aber, dasz in der sprache noch ein wärmeres und veränderliches element walte, das ihrer findung, aneignung, fortpflanzung und vervollkommnung unter den menschengeschlechtern, das sie der geschichte überweist und aus ihrem schosz die ganze manigfaltigkeit der literatur hervorgehn läszt. jenen verhalt der sprache zu den naturlauten auf zahllosen stufen hat vorzugsweise die grammatik, die flut oder ebbe ihrer zeitlichen erscheinungen zumal das wörterbuch darzustellen, welchem wie der geschichte die urkunden, die reichsten sammlungen des sprachvorrats unentbehrlich werden.
Über eines solchen werkes antritt musz, wenn es gedeihen soll, in der höhe ein heilbringendes gestirn schweben. ich erkannte es im einklang zweier zeichen, die sonst einander abstehen, hier aber von demselben inneren grunde getrieben sich genähert hatten, in dem aufschwung einer deutschen philologie und in der empfänglichkeit des volks für seine muttersprache, wie sie beide bewegt wurden durch erstarkte liebe zum vaterland und untilgbare begierde nach seiner festeren einigung. was haben wir denn gemeinsames als unsere sprache und literatur?
Wer nun unsere alte sprache erforscht und mit beobachtender seele bald der vorzüge gewahr wird, die sie gegenüber der heutigen auszeichnen, sieht anfangs sich unvermerkt zu allen denkmälern der vorzeit hingezogen und von denen der gegenwart abgewandt. je weiter aufwärts er klimmen kann, desto schöner und vollkommner dünkt ihn die leibliche gestalt der sprache, je näher ihrer jetzigen fassung er tritt, desto weher thut ihm jene macht und gewandtheit der form in abnahme und verfall zu finden. mit solcher lauterkeit und vollendung der äuszeren beschaffenheit der sprache wächst und steigt auch die zu gewinnende ausbeute, weil das durchsichtigere mehr ergibt als das schon getrübte und verworrene. sogar wenn ich bücher des sechzehnten ja siebzehnten jahrhunderts durchlas, kam mir die sprache, aller damaligen verwilderung und roheit unerachtet, in manchen ihrer züge noch beneidenswerth und vermögender vor als unsere heutige. welchen abstand aber auch von ihnen stellte die edle, freie natur der mittelhochdeutschen dichtungen dar, denen angestrengteste mühe zu widmen unvergleichlichen lohn
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abwirft. doch nicht einmal aus ihrer fülle schienen alle grammatischen entdeckungen von gewicht müssen hergeleitet zu werden, sondern aus sparsam flieszenden fast versiegenden althochdeutschen und gothischen quellen, die uns unserer zunge älteste und gefügeste regel kund thaten. es gab stunden, wo für abhanden gekommne theile des ULFILAS ich die gesamte poesie der besten zeit des dreizehnten jahrhunderts mit freuden ausgeliefert haben würde. den leuchtenden gesetzen der ältesten sprache nachspürend verzichtet man lange zeit auf die abgeblichenen der von heute.
Allein auch sie weisz schon ihren anspruch zu erheben und verborgene anziehungskräfte auf uns auszuüben. nicht nur ist der neue grund und boden viel breiter und fester als der oft ganz schmale, lockere und eingeengte alte, darum aber mit sichererem fusze zu betreten, sondern jener einbusze der form gegenüber steht auch eine geistigere ausbildung und durcharbeitung. was dem alterthum doch meistens gebrach bestimmtheit und leichtigkeit der gedanken, ist in weit gröszerem masze der jetzigen zu eigen geworden, und musz auf die länge aller lebendigen sinnlichkeit des ausdrucks überwiegen. sie bietet also einen ohne alles verhältnis gröszern, in sich selbst zusammenhängenden und ausgeglichenen reichthum dar, der schwere verluste, die sie erlitten hat, vergessen macht, während die vorzüge der alten sprache oft nur an einzelnen plätzen, abgebrochen und abgerissen, statt im ganzen wirksam erscheinen. bei allen durch die zeit hervorgebrachten verschiedenheiten waltet im groszen dennoch eine beträchtliche durchblickende gemeinschaft zwischen alter und neuer sprache, die in allen ihren wendungen und sprüngen zu belauschen überraschende freude macht. wenn auf zahllose stellen unserer gegenwart licht aus der vergangenheit fällt, so gelingt umgedreht es auch hin und wieder im dunkel liegende flecken und gipfel der alten sprache eben mit der neuen zu erhellen. manches im alterthum vorragende beruht ganz auf sich selbst und läszt auszerhalb seiner schranke sich weiter nicht verfolgen; die ungleich gröszere masse des heutigen sprachschatzes wird durch überflieszende belege lehrreich begründet. wahr ist, die alte sprache leistet der grammatik bessere dienste, aber für auffassung der wortbedeutungen wird die neue offenbar wichtiger. die gothische formlehre, wo wir sie nur anrühren, trägt zehnfach mehr frucht als die neuhochdeutsche, doch die magerkeit eines gothischen oder selbst althochdeutschen glossars gegen das mittelhochdeutsche springt ins auge, wie könnte das mittelhochdeutsche sich messen mit einem neuhochdeutschen wörterbuch?
Hier also kehrt sich die betrachtung zu gunsten des übernommenen werkes, das auf dem geebneten grunde historischer sprachforschung ruhend eine weit vollere und lebendigere samlung aller deutschen wörter veranstalten soll, als sie noch stattgefunden hat. ein deutsches wörterbuch mislang bisher aus dem doppelten grunde, dasz es weder den gelehrten noch dem volk ein genügen that.
Die wiederanfachung der classischen literatur im fünfzehnten und sechzehnten jahrhundert hatte den abstand der einheimischen, wissenschaftlich unausgebildeten
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sprache von der griechischen und lateinischen sehr fühlbar gemacht und nun begann die kluft zwischen ihnen und jener desto schroffer vorzutreten. unsre eigne muttersprache, welche doch seit jene classischen zungen aus dem leben verschwunden waren, vor allen europäischen ehmals zuerst sich geregt und eignes lebens fähig erzeigt hatte, muste bald nur für eine dienende handlangerin, für die brücke gelten, über welche man aus dem schlamm heimischer barbarei ans gestade jener beiden, vielmehr die hebräische, heilig gehaltne hinzugerechnet, der drei einzig vollkommnen sprachen schreite; die beschaffenheit einer rein menschlichen, uns unmittelbarst nahe liegenden wundervollen gabe zu erwägen, fiel lange gar niemand ein. man war weder gewohnt noch darauf eingerichtet, hinter dem, was seiner natur nach feine und tiefe regel haben musz, sie auch wirklich zu suchen, und schleppte für den oberflächlichsten gebrauch fortwährend sich mit mageren leeren behelfen, die der sprache selbst keinen nutzen, nur empfindlichen schaden zufügten. die classischen sprachen waren gelehrt und zünftig, die deutsche wurde nicht in die lehre genommen und in keine zunft gelassen.
Unvergessen sein sollen die namen GOLDAST, SCHILTER, SCHERZ, BODMER, welche mit erfolg auf rettung und herausgabe altdeutscher quellen dachten, die namen DASYPODIUS, MAALER, HENISCH, FRISCH, denen samlung der deutschen wörter innig am herzen lag. alle, ohne ausnahme, weisen nach Süddeutschland, wo vor alters hochdeutsche sprache und poesie erwachsen war, wo die meisten handschriften aufbewahrt lagen und die fortlebende volksmundart stärker als anderswo an das alterthum gemahnte und dessen verständnis förderte. gleichwol traten die bemühungen dieser männer nicht so weit vor, dasz ihnen selbst schon gelungen wäre, sich eine geläufige kunde der frühern grammatik zu erwerben, durch deren darstellung allein den nur unbefriedigend bekannt gemachten quellen hätte können eingang verschaft und das verhältnis der heutigen zur alten sprache festgesetzt werden.
Was im verschiedensten sinn LEIBNITZ, LESSING, KLOPSTOCK, ADELUNG, VOSS, sämtlich dem norden Deutschlands angehörig, zum heil der deutschen sprache gewollt und geleistet haben, wird jederzeit hochgeachtet bleiben, konnte diese aber immer nicht im auge der classischen philologen als voll erscheinen lassen, und es war vergeblich das zu empfehlen, dessen ebenbürtigkeit der schule erst auf überzeugendere weise dargethan werden muste. niemals blieb einer der rechten wege, die dahin führten, nur von ferne eingeschlagen. sollte man es glauben, das im gesamten alterthum unserer sprache durch die untiefen der vorzeit wie ein fels ragende hauptwerk, auf dessen grund jeder bau zu errichten war, Holländern, Engländern, Schweden überlassen, wurde vor dem neunzehnten jahrhundert niemals in Deutschland gedruckt und zugänglich gemacht. durch KNITTEL s entdeckung auf ULFILAS geführt, dachte LESSING (11, 297) nur dem mageren theologischen gewinn, nicht dem groszen sprachlichen nach: diesen hellen, scharfen geist lenkte seine vorliebe für fabel und spruch nur zu wenigen altdeutschen dichtern zweiten oder dritten rangs; hätte er die besten je gelesen,
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er würde auch mittel gefunden haben für sie zu gewinnen. von KLOPSTOCK, den das alterthum und die schöne unsrer sprache entzündete, der ihre grammatische eigenheit fein herausfühlte, und in Kopenhagen leicht hätte an die nordische lautere quelle näher treten können, von ihm wäre gut gethan gewesen, sich doch mit dem wollautreichen OTFRIED und einigermaszen mit den minnesängern vertraut zu machen; schlimmer ist, dasz er in altsächsischer zunge, aus stellen die ihm HICKES darreichte, nur ganz dilettantische kenntnisse zu ziehen verstand und doch zur schau legt. auch der ihm nacheifernde, in der versbildung bald überlegne VOSS gibt, bei gröszerer belesenheit, namentlich in seiner schrift von der zeitmessung höchst unzureichende einsicht in die altdeutsche sprache wie dichtkunst kund. darin zur seite tritt beiden der ihnen sonst überall entgegenstehende nüchterne ADELUNG , dem nur gedichte von HAGEDORN, GELLERT, WEISZE gefielen, unter den ältern höchstens noch die von OPITZ und dessen anhang eine halbe autorität, alle seiner jüngeren zeitgenossen zuwider waren; wie hätte er über sich gewonnen, die vermeinte roheit des mittelalters mit ernsten blicken anzusehen? ihm genügte fast an dem aller poesie baaren Teuerdank und an einzelnen aus BODMERS samlung erlesenen anführungen oder an denen, die schon FRISCH und SCHILTER reichten. leichter als die der alten dichtkunst wäre ihm wol noch die anerkennung einer alten sprachregel gefallen, von welcher er keine ahnung hatte, und die doch vielen irrthümern und verstöszen seines wörterbuchs abzuhelfen allein vermocht hätte. dem verleugnen der altdeutschen poesie ein unbeabsichtigtes ende machte, dasz es der neuen gelang ihren thron prächtig aufzuschlagen. GÖTHES und SCHILLERS hohe verdienste um unsere sprache strahlen so glänzend, dasz ihre gelegentlich etwa dargegebne abneigung vor einigen dichtungen des mittelalters, deren gehalt dabei weniger in betracht gekommen sein kann, als zufällige umstände, gar nicht angeschlagen werden darf.
Nachdem diese groszen dichter vor dem ganzen volk mit immer steigendem erfolg, was deutsche sprachgewalt sei und meine, bewährt hatten und durch feindliche unterjochung in den wehevollen anfängen dieses jahrhunderts allen gemütern eingeprägt war, an diesem kleinod unsrer sprache stolzer festzuhalten; fand sich das bewustsein eines auch in ihr seit frühster zeit waltenden grundgesetzes so erleichtert, dasz es nichts als der einfachsten mittel bedurfte, um es auf einmal zur anschauung zu bringen. diese willfährig aufgenommene erkenntnis traf aber glücklicherweise zusammen mit einer vom sanskrit her erregten vergleichenden sprachwissenschaft, welche keiner sie nah oder fern berührenden spracheigenthümlichkeit aus dem wege gehend vor allen andern auch der einheimischen das gebührende recht widerfahren zu lassen geneigt sein muste, in welcher noch mehr als eine saite zu den volleren klängen jener ehrwürdigen sprachmutter anschlug. So hat sich unter mancherlei gunst und abgunst allmälich eine deutsche philologie in bedeutenderem umfang als je vorher gebildet, deren selbständige ergebnisse vielfache frucht tragen, unabhängigen werth behaupten und fortdauernde theilnahme in anspruch nehmen können. früherhin liesz alles und jedes,
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was von den denkmälern unseres alterthums mühsam gedruckt erschienen war, in ein paar folianten und quartanten sich beisammen haben; jetzt stehn in den bibliotheken ganze gefache von altdeutschen büchern erfüllt und die verleger zagen nicht mehr vor dieser literatur. wie viel noch übrig bleibe zu thun, ein rühmlicher eifer regt sich alle lücken zu ergänzen und ungenügende durch bessere ausgaben zu verdrängen. nicht länger verschlossen liegen die quellen unserer sprache und ihre bäche und ströme dürfen oft bis auf die stelle zurückgeführt werden, wo sie zum erstenmal vorgebrochen sind; fortan aber kann eine deutsche grammatik, ein deutsches wörterbuch, die sich dieser forschungen und aller daraus erwachsenen fordernisse entäuszern, weder gelten noch irgend ersprieszlichen dienst leisten.
Von an der oberfläche klebenden, nicht tiefer eingehenden arbeiten beginnt heutzutage auch die ernstere stimmung des volks sich loszusagen. aufgelegt zum betrieb der naturwissenschaften, die den verstand beschäftigen und mit einfachen mitteln, wenn sie recht verwendet werden, das nützlichste ausrichten, wird ihm auch sonst das unnütze und schlechte verleidet; wozu ihm noch immer handbücher und auszüge unseres gewaltigen sprachhortes und alten erbes vorlegen?, die statt dafür einzunehmen davon ableiten und nichts als schalen absud seiner kraft und fülle bieten, aus dem keine nahrung und sättigung zu gewinnen steht, als sei der unmittelbare zutritt verschlagen und die eigne anschau verdeckt. Seit den befreiungskriegen ist in allen edlen schichten der nation anhaltende und unvergehende sehnsucht entsprungen nach den gütern, die Deutschland einigen und nicht trennen, die uns allein den stempel voller eigenheit aufzudrücken und zu wahren im stande sind. der groszen zahl von zeitgenossen, vor deren wachem auge die nächsten dreiszig jahre darauf sich entrollten, bleibt unvergessen, wie hoch in ihnen die hofnungen giengen, wie stolz und rein die gedanken waren; wenn nach dem gewitter von 1848 rückschläge lang und schwerfällig die luft durchziehen, können sprache und geschichte am herlichsten ihre unerschöpfliche macht der beruhigung gewähren. auch die kräfte der unendlichen natur zu ergründen stillt und erhebt, doch ist nicht der mensch selbst ihre edelste hervorbringung, sind nicht die blüten seines geistes das höchste ziel? seiner dichter und schriftsteller, nicht allein der heutigen auch der früher dagewesenen will das volk nun besser als vorher theilhaft werden und sie mit genieszen können; es ist recht, dasz durch die wieder aufgethanen schleuszen die flut des alterthums, so weit sie reiche, bis hin an die gegenwart spüle. zur forschung über den verhalt der alten, verschollenen sprache fühlen wenige sich berufen, in der menge aber waltet das bedürfnis, der trieb, die neugier, den gesamten umfang und alle mittel unsrer lebendigen, nicht der zerlegten und aufgelösten sprache kennen zu lernen. die grammatik ihrer natur nach ist für gelehrte, ziel und bestimmung des allen leuten dienenden wörterbuchs, wie hernach noch entfaltet werden soll, sind neben einer gelehrten und begeisterten grundlage nothwendig auch im edelsten sinne practisch.
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Durch warme theilnahme des volks allein ist die erscheinung dieses deutschen wörterbuchs möglich und sicher geworden, das also im auffallenden gegensatz steht zu den wörterbüchern anderer landessprachen, die von gelehrten gesellschaften ausgegangen auf öffentliche kosten an das licht getreten sind, wie es in Frankreich, Spanien, Dänemark geschah; heute befaszt zu Stockholm die vitterhets academie sich mit einem schwedischen. ein solcher verein der mitarbeiter ist nach verschiedenheit der völker anders zu beurtheilen: wo durch verfeinerung des geselligen lebens die sprache überall bestimmt war gleich der französischen, konnte sie fast nur auf diesem wege ihren weltton finden und niedersetzen; das dictionnaire de l'académie hat ihn zum wenigsten für eine reihe von geschlechtern angegeben, später einmal wird man seinen unerträglichen zwang brechen, dem wahren begrif eines wörterbuchs stand es von anfang an fremd. anderwärts verschwinden aber die vortheile einer gesellschaftlichen bearbeitung vor den hemmungen und gebrechen, die sie heranführt: mitten aus dem fleisz und der einigkeit können vorwände der trägheit und des zwistes entspringen. zunächst läge nun, alle eigentliche last und bürde der arbeit in eines oder weniger hände zu geben, die dazu den wahren beruf in sich tragen. dann aber könnte sie ebenwol unabhängig auszerhalb dem kreise der gesellschaft sich entwickeln, diese nur den aufwand der geldmittel ganz oder zum theil bestreiten und so läszt sich allerdings die mitwirkung eines gelehrten verbands an dem wörterbuch, dessen spitze er vertretend schützte, förderlich denken. Doch in Deutschland haben bei dem geringen ansehen, dessen, wie vorhin gesagt wurde, die eigne sprache genosz, unsere vorwaltend classische und orientalische philologie, naturwissenschaft und geschichte hegenden academien niemals weder dem entwurf eines neuen, noch der hut und unterstützung eines in arbeit begriffenen deutschen wörterbuchs ihre aufmerksamkeit zugewandt. von DASYPODIUS und PICTORIUS an bis auf ADELUNG und CAMPE herunter sind alle unsere wörterbücher überhaupt ohne irgend eine öffentliche anregung oder beisteuer gedruckt worden und, was röthe in die wangen jagt, die herausgabe der einheimischen sprachdenkmäler hat, einzelne ruhmwürdige ausnahmen abgerechnet, meistens nur mit ärmlichen mitteln, durch halb unwillige verleger, fast ohne lohn für die herausgeber bewerkstelligt werden müssen. Wie vaterländisch gewesen wäre sie insgesamt in groszartigen schutz zu nehmen und ihnen vollständige bekanntmachung im angesicht des volks. angedeihen zu lassen, dem es nicht entgehen kann, welche pflege dafür ausländischem alterthum und fremden sprachen unter uns zu theil geworden ist.
Ich wollte auch den wust und unflat unsrer schimpflichen die gliedmaszen der sprache ungefüg verhüllenden und entstellenden schreibweise ausfegen, ja dasz ich dafür den rechten augenblick gekommen wähnte, war einer der hauptgründe mich zur übernahme des wörterbuchs zu bestimmen, dessen ganze ordnung fast an jeder stelle durch das beibehalten der unter uns hergebrachten orthographie sichtbar gestört und getrübt werden muste. es ist nichts kleines, sondern etwas groszes und in vielen dingen nützes seine sprache
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richtig zu schreiben. das deutsche volk hängt aber so zäh und unberaten an dem verhärteten schlimmen misbrauch, dasz es eher lebendige und wirksame rechte, als von seinen untaugenden buchstaben das geringste fahren liesze, unmittelbar mit dem ersten eindruck, den ein neu auftretendes wörterbuch hervor zu bringen im stande wäre, mit dem einflusz, den es allmälich üben könnte, schien es am schicklichsten zugleich die längst reife neuerung, vielmehr zurückführung der schreibregel auf ihre alte einfachheit zu verbinden; in der bewegung der zeit selbst hätte diese abkehr und wendung von dem bloszen schlendrian der letzten, nicht der früheren jahrhunderte minderes aufsehen erregt und sich unvermerkt den beifall oder die gewöhnung der menge gewonnen. Als aber sonst überall in die jüngst verlassenen gleise zurück geschoben wurde, leuchtete ein dasz es nun unmöglich gewesen wäre hier in die ältesten wieder einzulenken; was geschehen konnte, war eine nur theilweise zu versuchende abhülfe und linderung des hervorstechendsten übels. welche wahl im einzelnen zu treffen sei, welche mittel einzuschlagen ratsam, darüber muste nothwendig die ansicht hin und her schwanken und diese unschlüssigkeit ist es eben, die in den letzten jahren längeren aufschub des wörterbuchs verursachte: rechtfertigung aber der unabweisbar gebliebnen, jedermann ins auge fallenden abweichungen von dem seitherigen schreibgebrauch wird nachher folgen.

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  • DWB Vorwort Teil 0 ( recorded by bloodmandarin ), Lower Saxony (basically no Accent, but the fact that some "i" sound like "ü")

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