Natural speed please.
Patrick Chappatte
Patrick Chappate: Die Macht der Karikatur
Posted Oct 2010
Rated Funny, Inspiring
0:12
Ich bin ein Zeitungskarikaturist - ein politischer Karikaturist. Haben Sie schon einmal davon gehört - Zeitungen? Es ist eine Art papierbasiertes Lesegerät. (Lachen) Es ist leichter als ein iPod. Es ist etwas preiswerter. Wissen Sie, was man sagt? Man sagt: das Print-Medium stirbt. Wer sagt das? Na, die Medien. Aber das ist nichts Neues, oder? Sie haben sicherlich schon darüber gelesen.
0:44
(Lachen)
0:49
Meine Damen und Herren, die Welt ist kleiner geworden. Ich weiß, das ist ein Klischee, aber schauen Sie, schauen Sie, wie klein, wie winzig sie geworden ist. Und Sie kennen natürlich den Grund dafür. Wegen der Technologie, Jawohl. (Lachen) Sind Computer-Designer hier im Raum? Ja, gut, Ihr Typen versaut mir mein Leben, weil Trackpads einmal rund waren, von schöner runder Form. Damit macht man eine gute Karikatur. Was soll man mit einem flachen Trackpad tun, diesem viereckigen Ding? Damit kann ich als Karikaturist nichts anfangen. Nun, ich weiß, die Welt ist inzwischen flach. Das ist wahr. Aber das Internet erreicht jede Ecke der Welt, den ärmsten, den entferntesten Ort. Jedes Dorf in Afrika hat inzwischen ein Internetcafe. (Lachen) Fragen Sie dort nicht nach einem Frappuchino. Wir überbrücken also die digitale Kluft. Die Dritte Welt ist verbunden. Wir sind verbunden. Und was passiert als nächstes? Nun, wir bekommen Post. Ja. Das Internet hat uns mehr Macht gegeben. Es hat Ihnen mehr Macht gegeben. Es hat mir mehr Macht gegeben. Und es hat auch noch ein paar anderen Typen mehr Macht gegeben.
2:22
(Gelächter)
2:27
Wissen Sie, diese zwei Karikaturen habe ich live gezeichnet, während einer Konferenz in Hanoi. So etwas waren sie nicht gewohnt im kommunistischen 2.0 Vietnam. (Gelächter) Ich habe also live eine Karikatur auf einem großen Bildschirm gezeichnet - es war eine Sensation - und dann kam dieser Typ zu mir. Er machte Bilder von mir und meinen Karikaturen, und ich dachte: "Das ist großartig, ein vietnamesischer Fan." Und als er am zweiten Tag wieder kam, dachte ich: "Wow, ein wirklicher Karikatur-Liebhaber." Am dritten Tag habe ich endlich kapiert: Dieser Typ kam dienstlich. Es gibt also inzwischen circa hundert Fotos von mir, lächelnd mit meinen Karikaturen, in den Akten der vietnamesichen Polizei.
3:12
(Gelächter)
3:14
Nein, aber es ist wahr: das Internet hat die Welt verändert. Es hat die Musikindustrie umgekrempelt. Es hat die Art, wie wir Musik konsumieren, verändert. Die Älteren unter Ihnen erinnern sich sicher: Wir mussten immer erst in einen Laden gehen, um sie zu stehlen. (Gelächter) Und es veränderte die Art, wie Ihr zukünftiger Arbeitgeber Ihre Bewerbung betrachten wird. Also seien Sie vorsichtig mit diesem Facebook-Konto. Ihre Mami hat gesagt: "Sei vorsichtig!" Und die Technologie hat uns befreit. Das ist kostenloses WiFi, und yeah, es hat uns unabhängig gemacht vom Büroschreibtisch. Es ist Ihr Leben. Genießen Sie es. (Gelächter) Kurz und gut: Technologie und Internet haben unseren Lebensstil verändert. Technologie-Gurus, wie dieser Mann - eine deutsche Zeitschrift nannte ihn den Philosophen des 21. Jahrhunderts - beeinflussen die Art, wie wir etwas tun. Sie beeinflussen die Art, wie wir konsumieren. Sie beeinflussen unsere speziellen Wünsche. (Gelächter) (Beifall) Und - Sie werden das nicht gerne hören - die Technologie hat sogar unsere Beziehung zu Gott verändert.
4:43
(Gelächter)
4:49
Ich sollte darüber nicht allzu begeistert sein. Religiöse und politische Karikaturen bilden, wie Sie vielleicht wissen, ein problematisches Paar, seit jenem Tag im Jahre 2005, als eine Reihe dänischer Karikaturisten Karikaturen zeichnete, die weltweit Auswirkungen hatten, Demonstrationen, Fatwa. Sie provozierten Gewalt, Menschen starben. Es war so widerlich.. Menschen starben wegen Karikaturen. Ich meine - Ich hatte in dieser Zeit das Gefühl, dass diese Karikaturen von beiden Seiten nur benutzt wurden. Sie wurden zuerst von einer dänischen Zeitschrift benutzt, die ihre Ansicht zum Islam klarmachen wollte. Ein dänischer Cartoonist erzählte mir, dass er einer der 24 gewesen sei, die den Auftrag erhielten, den Propheten zu zeichnen. 12 von ihnen weigerten sich. Wussten Sie das? Er sagte mir:" Niemand muss mir sagen, was ich zeichnen soll. So funktioniert das nicht." Und dann wurden sie natürlich von den Extremisten und Politikern auf der anderen Seite benutzt. Sie wollten einen Streit entfachen. Sie kennen die Geschichte. Wir wissen, dass Karikaturen wie Waffen benutzt werden können. Das lehrt uns die Geschichte, sie wurden von den Nazis benutzt, um die Juden zu attackieren. Und hier sind wir nun. Bei den Vereinten Nationen drängt die eine Hälfte der Welt darauf, Straftaten gegen die Religion zu ahnden - sie nennt es Verunglimpfung der Religion - während die andere Hälfte der Welt dagegenhält und die Meinungsfreiheit verteidigt. Findet der Kampf der Kulturen also bereits statt, und die Karikaturen sind mittendrin? Das gab mir zu denken. Hier sehen Sie mich am Küchentisch nachdenken. Und wenn Sie schon in meiner Küche sind, lernen Sie doch auch gleich meine Frau kennen.
6:33
(Gelächter)
6:39
2006, ein paar Monate später, reiste ich zur Elfenbeinküste nach Westafrika. Apropos geteilte Welt: Auch dieses Land war in zwei Hälften geteilt. Die Rebellen saßen im Norden und die Regierung im Süden - in der Hauptstadt, Abidjan - und dazwischen die französische Armee. Das hat Ähnlichkeit mit einem riesigen Hamburger. Man will nicht das Fleisch in der Mitte sein. Ich war dort, um darüber in Form von Karikaturen zu berichten. Ich mache das schon seit 15 Jahren. Es ist eine Art Nebenjob. Man merkt hier deutlich den Unterschied. Dies ist ernster als eine Karikatur, die in der Redaktion entsteht. Ich habe beispielsweise den Gaza-Streifen während des Krieges im Jahre 2009 besucht. Das ist richtiger Journalismus in Form von Karikaturen. Man wird demnächst davon noch öfter hören. Denn das ist meines Erachtens die Zukunft des Journalismus.
7:31
Natürlich ging ich in den Norden zu den Rebellen. Das waren arme Jungs, die für ihre Rechte kämpften. Es gab einen ethnischen Aspekt in diesem Konflikt, wie so oft in Afrika. Und ich traf die Dozo. Die Dozo sind die traditionellen Jäger Westafrikas. Die Menschen fürchten sie. Sie helfen den Rebellen sehr. Man glaubt, sie hätten magische Kräfte, könnten sich unsichtbar machen und Gewehrkugeln ausweichen. Ich traf einen Dozo-Häuptling. Er erzählte mir von seinen magischen Kräften. Er sagte: " Ich kann dir den Kopf abhacken und dich danach wieder lebendig machen." Ich sagte:" Ich glaube, dafür haben wir jetzt leider keine Zeit." (Gelächter) "Ein anderes Mal gerne."
8:15
Als ich zurück in Abijan war, durfte ich einen Workshop mit einigen dort ansässigen Karikaturisten leiten, und ich dachte: Ja, in solchen Situationen wie hier können Karikaturen wirklich als Waffen gegen die anderen benutzt werden. Die Presse in der Elfenbeinküste war nämlich sehr zerstritten. Man hat das mit Medien in Ruanda vor dem Völkermord verglichen. So kann man es sich vorstellen. Was kann ein Karikaturist da tun? Manchmal schreiben die Redakteure ihren Karikaturisten vor, was sie zeichnen sollen. Jeder muss schließlich seine Familie ernähren. Unsere Idee war sehr einfach: Wir brachten Karikaturisten aus der ganzen Elfenbeinküste zusammen. Wir hielten sie drei Tage von ihren Zeitungen fern. Ich bat sie, gemeinsam an einem Projekt zur Bewältigung der Probleme ihres Landes zu arbeiten, mit Hilfe von Karikaturen, jawohl Karikaturen. Um die positive Kraft von Karikaturen zu verdeutlichen. Es ist ein großartiges Kommunikationswerkzeug, im Guten wie im Schlechten. Und Karikaturen können Grenzen überschreiten, wie Sie gesehen haben. Humor ist ein hervorragendes Mittel, ernsthafte Probleme anzugehen. Ich bin sehr stolz auf das, was sie dann taten. Ich meine, sie hatten verschiedenen Ansichten - das war nicht der Punkt. Und ich forderte sie nicht auf, nette Karikaturen zu zeichnen. Am ersten Tag schrien sie sich noch an. Aber dann kamen sie auf den Gedanken, ein Buch zu machen, das einen Rückblick auf die politischen Krisen der Elfenbeinküste in den vergangenen 13 Jahren zeigte.
9:41
Die Idee war geboren. Ähnliche Projekte hab ich 2009 im Libanon gemacht und im Januar dieses Jahres in Kenia. Im Libanon war es kein Buch. Die Idee war - die gleich Voraussetzung, ein geteiltes Land - Karikaturisten aus allen Lagern zusammen arbeiten zu lassen. Im Libanon banden wir die Zeitungsherausgeber mit ein und brachten sie dazu, acht Karikaturen von Karikaturisten aus verschiedenen Lagern auf einer Seite zu veröffentlichen, mit Themen, die den Libanon betreffen, wie z.B. Religion in Politik und Alltag. Und es funktionierte. Drei Tage lang veröffentlichten fast alle Zeitungen in Beirut all diese Karikaturisten gemeinsam: Regierungsgegner, Regierungsanhänger, Christen und natürlich Muslime, alle auf Englisch, versteht sich. Es war ein großartiges Projekt. Und dann in Kenia. Hier sprachen wir die Frage der ethnischen Zugehörigkeit an, was an vielen Orten in Afrika sehr gefährlich ist. Wir machten Videoclips. Man kann sie sich auf YouTube/KeniaTunes anschauen.
10:53
Meinungsfreiheit zu predigen, ist bei uns hier leicht. Was aber kann, wie man gesehen hat, dort, wo Repression und Spaltung herrschen, ein Karikaturist noch tun? Er will ja seinen Job nicht verlieren. Nun, ich glaube, egal in welchem Umfeld, er hat immer die Möglichkeit, sich zu entscheiden, eine Karikatur, die Hass sät, nicht zu zeichnen. Und das war die Botschaft, die ich denen vermitteln wollte. Ich denke, wir haben immer die Wahl, schlechte DInge nicht zu tun. Aber wir müssen diese kritischen und verantwortungsvollen Stimmen unterstützen: in Afrika, im Libanon, in unserer Lokalzeitung, im Apple-Store. Heutzutage sind Technik-Unternehmen die größten Redakteure der Welt. Sie entscheiden, was für uns zu offensiv und zu provokativ ist. Es geht also nicht nur um die Freiheit der Karikaturisten, es geht um unsere Freiheit. Denn es wäre eine gute Nachricht für alle Diktatoren dieser Welt, wenn Karikaturisten, Journalisten und Aktivisten einfach die Klappe hielten.
12:14
Vielen Dank.
12:16
(Applaus)